Two-Speed IT – Unternehmens-IT mit zwei Geschwindigkeiten bereitstellen

Management Summary

  • Two-Speed IT ist das Entwickeln und Betrieben von Informationstechnik mit zwei Geschwindigkeiten. Der IT-Managementansatz wurde von McKinsey und Gartner im Jahr 2014 vorgeschlagen.
  • Modus 1 verläuft geplant und schrittweise. Der Fokus liegt auf einer stabilen und sicherheitsbezogenen IT. Diese unterstützt primär das Kerngeschäft.
  • Modus 2 verläuft agil und experimentell. Der Fokus liegt auf einer schnellen und kundenorientierten IT. Diese unterstützt primär das Neugeschäft.
  • Unternehmen können beide Modi parallel fahren. Dazu muss das Zusammenspiel auf organisatorischer, prozessualer und technischer Ebene festgelegt und gelebt werden.

Was ist Two-Speed IT?

Bei der Two-Speed IT managen Sie Ihre Informationstechnik (IT) in zwei diametralen Modi.

  • Modus 1 umfasst die geplante und schrittweise (Weiter-)Entwicklung stabiler und sicherheitsbezogener IT insbesondere für das Kerngeschäft.
  • Modus 2 umfasst die agile und dynamische (Weiter-)Entwicklung schneller und kundenbezogener IT insbesondere für das Neugeschäft.

Das Konzept prägten McKinsey & Company bzw. Gartner ab 2014. Unter anderem verwendet Literatur und Praxis synonyme Bezeichnungen wie Two-Speed IT Architecture, 2-Speed IT, bimodale IT, IT der zwei Geschwindigkeiten, Ambidextrous IT oder beidhändige IT.

Wir sehen Two-Speed IT als Konsequenz von zwei Entwicklungsströmen.

  1. Organisationaler Ambidextrie: Heute sind Unternehmen gefordert gleichzeitig effizient und flexibel zu agieren. Bestehende Geschäftsmodelle werden schrittweise optimiert, neue Business Möglichkeiten dynamisch ausgelotet. Die IT folgt diesem beidhändigen Verhalten.
  2. Agile Entwicklungsmodelle: Bis Anfang der 2000er Jahren wurden IT-Projekte fast gänzlich auf Basis von Phasenmodellen aus Analyse, Design, Entwicklung, Test und Roll-Out durchgeführt. Kurzzyklische Ansätze wie Scrum änderten die Art der IT-Wertschöpfung.

Gehen wir nachfolgend genauer auf die beiden IT-Management Modi ein.

„Denken Sie bei der IT in zwei Geschwindigkeiten nicht in IT-Systemen, Entwicklungsprojekten oder Infrastrukturkomponenten. Denken Sie in IT-Services. Welche unserer IT-Services müssen zuverlässig und stabil jederzeit für das Tagesgeschäft bereitstehen? Bei welchen IT-Services reicht ein risikoarmer Prototyp, der es uns erlaubt, rasch Erkenntnisse einzusammeln?“

Dr. Christopher Schulz

IT-Modus 1 : Großtanker – Stabile & sicherheitsbezogene IT

Stabilität und Sicherheit stehen im Zentrum von IT-Modus 1. Die (in der Regel transaktionalen) IT-Systeme bilden die Eckpfeiler des Unternehmens und müssen daher rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Fehlfunktionen oder gar Ausfälle dieser robusten und jahrelang bewährten Kernanwendung sind kostspielig und nicht tolerierbar. Ihr Fokus liegt auf Exploitation.

Die (oft wasserfallartige) Weiterentwicklung erfolgt geplant und in vertrauten Schritten. Die festen Releasezyklen sind lang, Änderungen stehen Monate vor Veröffentlichung fest. Dokumentation spielt eine wichtige Rolle, die Nachvollziehbarkeit muss jederzeit gegeben sein.

Die verantwortliche IT-Belegschaft ist in der Regel sehr erfahren und geht bei Entwicklung und Betrieb sorgfältig zu Werke. Der Arbeitsbereich ist gut verstanden, Aktionen vorhersehbar. Der Fokus liegt auf der effizienten Verwertung bekannter Technologien.

Organisation

erfahren, zuverlässig, eingespielt, qualitätsbewusst

Prozesse

geplant, schrittweise, dokumentiert, vorhersehbar

Systeme

transaktional, hochverfügbar, sicherheitskritisch, robust

„Speziell für neue Geschäftsfähigkeiten werden Sie eine agile Modus 2 IT vorsehen. Bei bestehenden Business Capabilities steht dagegen eine Einzelfallentscheidung an: wie bewährt weiter im stabilen und sicheren Modus 1 oder Wechsel auf den schnellen und kundenorientierten Modus 2? Votieren Sie auf Basis der ermittelten Anforderungen.“

Dr. Christopher Schulz

IT-Modus 2: Schnellboot – schnelle & kundenorientierte IT

Auf Schnelligkeit und Kundenorientierung liegt das Hauptaugenmerk von IT-Modus 2. Die modularen IT-Systeme sind neu und innovativ und richten sich oft direkt an die Endkunden in einem bisher unbesetzten Geschäftsfeld. Eine Anwendung ist dabei zu Entwicklungsbeginn nur vage definiert, Funktionsumfang und Eigenschaften sind Gegenstand häufiger Änderungen. Die Laufzeitumgebungen gestaltet sich schlank, die Koppelungen mit Nachbarsystemen lose. Ihr Fokus liegt auf Exploration.

Time-to-Market bildet bei der (Weiter-)Entwicklung die oberste Prämisse. Verantwortliche Teams arbeiten in der Regel in kurzen Releasezyklen. Agile Projekttechniken (z.B. Scrum, Kanban, Stacey Matrix) kommen gleichermaßen zum Einsatz wie moderne Start-Up Methoden (z.B. Minimum Viable Product, Design Sprint, Experience Journey). Dokumentation nimmt einen untergeordneten Stellenwert ein.

IT-Modus 2 Mitarbeiter sind experimentierfreudig, risikooffen und bereit sich rasch in neue fachliche und technische Themen einzuarbeiten. Der Fokus liegt auf wendiger Exploration unbekannter Technologien.

Organisation

neugierig, risikooffen, änderungsbereit, innovativ  

Prozesse

agil, experimentell, dynamisch, kurzzyklisch

Systeme

modular, innovativ, kundenbezogen, emergent

„Nach unseren Erfahrungen können IT-Organisationen sehr wohl parallel im IT Modus 1 und 2 fahren. Einerseits möchte nicht jeder Mitarbeiter auf einem Schnellboot unterwegs sein, schätzt vielmehr die Beständigkeit einer sicheren und stabilen IT. Andererseits favorisieren speziell junge Mitarbeiter ab Karrierestart an innovativen neuen Projekten mitwirken zu dürfen.“

Dr. Christopher Schulz

Two-Speed IT – das Beste aus beiden Welten kombinieren

Für McKinsey und Gartner gibt es keinen dominierenden IT-Modus.

Der Marktforscher befundet: „Both modes are essential to create substantial value and drive significant organizational change.”“ Auch die Berater empfehlen: “It’s important to establish a clear distinction between the two IT models from the beginning and not only focus on the fast-speed part but also develop the transactional back-end architecture.”.

Eine IT der zwei Geschwindigkeiten implementieren und managen Sie auf drei Ebenen: organisatorisch, prozessual und technisch.

  • Organisatorisch ordnen Sie die Mitarbeiter ihrer Mentalität zu. Umsichtige Bewahrer stabilisieren im IT-Modus 1. Risikofreudige Entdecker treiben im IT-Modus 2.
  • Prozessual fordern Sie Entwicklung und Pflege von Schnittstellen ein. Das beginnt bei einem sorgfältig dokumentierten Application Programming Interface (API) und endet mit einer klar verantworteten Middleware-Komponenten.
  • Technisch entkoppeln Sie Ihre IT-Systemlandschaft in unabhängige Elemente. Jedes System wird entweder in Modus 1 oder 2 entwickelt und betrieben. Je enger die Kopplung zweier Applikationen, desto schwieriger ein Vorgehen mit unterschiedlichen Modi.

Eine bimodale IT zum Erfolg zu führen ist herausfordernd. In der zweigeteilten IT-Belegschaft können Spannungen entstehen. Keiner möchte im Modus 1 verbleiben. Womöglich stößt das Modell der unterschiedlichen Liefergeschwindigkeiten bei den Fachbereichen auf Unverständnis. Vielleicht bremsen sich auch die agilen und traditionellen Projekte gegenseitig aus.

Definieren Sie das Wechselspiel mit Werkzeugen der IT Governance. Arbeiten Sie als eine IT-Organisation. Definieren Sie IT-Plattformen. Innerhalb einer Plattform läuft es stabil und sicher. Außerhalb der Plattform geht es schnell und kundenorientiert zu.

„Speziell Ihre Führungs- und Managementebene sollte bimodale IT-Konzepte beherrschen. Hingegen können Sie von einzelnen Fachkräften nicht verlangen gleichzeitig kreativ & agil bzw. effizient & stabil zu Werke zu gehen.“

Dr. Christopher Schulz

Fazit

Ist Two-Speed IT nur ein Zwischenhalt. Oder der Endzustand?

Einige Quellen wie The Boston Consulting Group betrachten IT-Modus 2 als Zielbahnhof für die gesamte IT. Geschwindigkeit, Agilität und konstante Erneuerung ist für diese Verfechter die oberste Maxime. Andere Quellen wie Bain & Company bezweifeln, dass eine IT zwangsweise in Modus 1 oder 2 fahren muss. Für diese Sprecher gibt es zeitgleich nur einen einzigen IT-Modus.

Gehen Sie es pragmatisch an und entscheiden Sie für den IT-Modus, der für die Anforderungen Ihrer Kunden, Geschäftsführung, Fachbereiche und IT-Mannschaft (in dieser Reihenfolge) am besten passt. Heute und in Zukunft.

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Dr. Christopher Schulz

Dr. Christopher Schulz

Business Analyst, Enterprise Architect & Projektmanager

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